16.01.2011 - Neujahrsrede 2011 von Bürgermeister Kurt Wagenführer
Ortsbürgermeister Günter Foltz, Landrätin Theresia Riedmaier, Kastanienprinzessin Madlen I., Bürgermeister Kurt Wagenführer mit zwei jungen Gästen beim gemeinsamen Neujahrsempfang 2011 der Verbandsgemeinde Annweiler und der Ortsgemeinde Waldhambach (v.l.n.r.).
Sehr geehrte Damen und Herren,
Herr Bundestagsabgeordneter Dr. Gebhart,
sehr geehrte Frau Landrätin Riedmaier,
lieber Bürgermeisterkollege Günter Foltz,
sehr geehrte Frau Pfarrerin Behrens, sehr geehrter Herr Pfarrer Kirn,
(weitere Begrüßungen)
liebe Gäste,
zum Jahresbeginn 2011 wünsche ich Ihnen allen, eine gute Zukunft, viel Glück und Erfolg und vor allen Dingen gute Gesundheit.
Im ersten Jahr als Bürgermeister der Verbandsgemeinde Annweiler habe ich von Ihnen große Unterstützung erfahren. Dank gilt all jenen, die es mir leicht gemacht haben, ihre Herzen zu erreichen.
Meine Neujahrsrede steht unter dem Motto „Mut machen, Mut haben!“
Meine sehr geehrte Damen und Herren,
ich werde bewusst in meiner Neujahrsrede auf die Aufzählung der weltweiten Katastrophen verzichten. Mein Blickwinkel wird sich auf unsere Verbandsgemeinde Annweiler und die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland richten.
Im neuen Jahr wurden wir medial vom großen „Schneechaos“ überrascht! Dabei wurde offensichtlich übersehen, dass wir nun schon im 3. Jahr einen richtigen Winter in Folge haben.
Das medial dargestellte Schneechaos entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Winter, wie wir ihn in den 60 er und 70er Jahren fast alljährlich erlebt haben.
Bei der Verbandsgemeinde bleibt es mein Ziel, bei verbesserten Einnahmen, den Haushaltsausgleich gemeinsam mit dem Verbandsgemeinderat für 2012 hinzubekommen. Wenn wir mehr Luft haben, werden wir die Umlage auch wieder maßvoll senken, um die Ortsgemeinden zu entlasten.
Mut macht mir in diesem Zusammenhang auch die „ganz frische“ Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz zum kommunalen Finanzausgleich.
Wir, die Kommunen, beklagen seit 20 Jahren, dass die Sozialausgaben, die überwiegend auf Bundesgesetzen, teilweise auf Landesgesetzen, basieren, durch die Steuereinnahmen der Gemeinden über die Kreisumlage nicht mehr zu re-finanzieren sind. Wir hätten zum Ausgleich des Kreishaushaltes Südliche Weinstraße für das Jahr 2011 eine Umlagenerhöhung um 18,6 % benötigt und wären bei einer utopischen Kreisumlage von 59,6 % gelandet, zusammen mit der Verbandsgemeindeumlage wären wir bei einem Umlagensatz von über 100 % angekommen! Jeder weiß, dass die Ortsgemeinden zur Erfüllung ihrer Aufgaben einen Teil ihrer Steuereinnahmen behalten müssen!
Mit anderen Worten: Die Landesverfassung garantiert den Kommunen einen Anspruch auf eine angemessene Finanzausstattung!
Seit 1990 sind die Sozialausgaben der Kommunen um 325% gestiegen, während das Land Rheinland-Pfalz die Schlüsselzuweisungen für die Kommunen lediglich um 27% erhöht hat. Es ist leicht erkennbar, dass diese Lücke von den Kommunen nicht geschlossen werden kann.
Das OVG hat nun das anhängige Verfahren ausgesetzt und die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Landesfinanzausgleichsgesetzes an den Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz weitergereicht.
Es besteht die Hoffnung, dass der Verfassungsgerichtshof und das OVG gemeinsam dem Land Rheinland-Pfalz aufgeben, den Kommunen die nötigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, welche diese zur Erfüllung der Bundes- und Landesgesetze benötigen, nach dem Motto: „Wer bestellt, der bezahlt“! Hier sitzen beide im Boot, sowohl der Bund als auch das Land.
Im Bereich unserer Abwasserwerke stehen wir in Verhandlung mit der Verbandsgemeinde Hauenstein, die Abwässer des Luger Tals an unsere Kläranlage in Annweiler anzuschließen. Hier gibt es ermutigende konzeptionelle Gespräche.
Ein weiteres wichtiges Ziel stellt für mich die Realisierung der Radwege dar. Wenn ich bedenke, dass unsere Kinder auf engen und vielbefahrenen Straßen mit dem Fahrrad unterwegs sind, habe ich höchstes Verständnis für die Mütter und Väter, die mit Recht Angst um ihre Kinder haben müssen. Ich werde deswegen alles daran setzen, dass wir zeitnah die verschiedenen Radwege – Projekte realisieren können.
Unsere Feuerwehren im freiwilligen und ehrenamtlichen Dienst gewährleisten unsere Sicherheit Tag und Nacht. Hierfür möchte ich mich bei unseren Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmännern besonders herzlich bedanken.
Wir haben in der Verbandsgemeinde Annweiler die besonders günstige Situation, dass von insgesamt 14 Ortswehren nicht weniger als 8 Feuerwehren über eine eigene Jugendfeuerwehr verfügen. Herausragend sind hier die Jugendfeuerwehren in Albersweiler und Silz mit jeweils 30 Jugendlichen, wobei der Mädchenanteil sich jeweils bei 25 bis 40 % bewegt. Insgesamt sind in den 8 Jugendfeuerwehren 127 Jugendliche engagiert. Dies stellt eine unerschöpfliche Grundlage für den Fortbestand der Feuerwehren dar.
Unsere Jugendfeuerwehren sind zwischenzeitlich auf allen Vergleichskämpfen überaus erfolgreich. Den Jugendfeuerwehrwartinnen und -warten möchte ich ausdrücklich für ihre anspruchsvolle Arbeit und Mühewaltung danken.
Meine Damen und Herren,
wir leben in einer Zeit, in der Politik und Politiker hart kritisiert und verunglimpft werden. Von unseren Politikern verlangen wir unfehlbare Entscheidungen, obwohl sie so wenig in die Zukunft schauen können, wie die Bürger selbst. Genau wie wir, können und dürfen auch Politiker irren! Allzu oft aber verlangen die Bürger von den Gewählten die perfekte Versorgung in allen Lebenslagen. Das kann keine Regierung dieser Welt leisten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich bitte zu bedenken, dass die Politik es fertig gebracht hat, dass wir in Deutschland seit mehr als 65 Jahren in keinen Krieg mit unseren europäischen Nachbarn geführt wurden und es besteht auch keine Gefahr, dass eine solche Situation eintreten könnte. Die Wehrpflicht konnte auf Grund dieser Lage zwischenzeitlich ausgesetzt werden!
In diesem Zusammenhang bin ich der Überzeugung, das sämtliche jungen Menschen, auch die jungen Frauen, ein „Soziales Jahr“ absolvieren sollen. Dies würde nicht nur unsere sozialen Einrichtungen unterstützen, sondern auch die sozialen Kompetenzen der jungen Menschen fördern.
Die viel gescholtenen Politiker haben es auch fertig gebracht, dass die Wirtschaft in Deutschland am besten durch diese dramatische Krise gekommen ist. Hierfür wurden in den letzten 10 Jahren die entscheidenden Grundlagen geschaffen, die Deutschen mussten in dieser Zeit auf viele liebgewonnenen Gaben verzichten! Deswegen verdienen sämtliche Parteien, die in den letzten 10 Jahren Verantwortung getragen haben, unsere Anerkennung.
Dass die Bundesregierung hierfür keine Anerkennung erhalten soll, vermag ich nicht einzusehen. Wenn es schlecht gelaufen wäre, hätte man sich schnell und gerne an diese aktuelle Bundesregierung gehalten. Wenn es gut läuft, muss es daher auch dieser Regierung gutgeschrieben werden!
Noch nie in der deutschen Geschichte waren mehr Menschen in versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen. Auch wenn man die Geringverdiener - Arbeitsverhältnisse in Abzug bringt, sind es immer noch mehr als 40 Millionen versicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse, die von unseren Menschen wahrgenommen werden. Die positiven Wirtschaftsdaten rechtfertigen es nunmehr, dass die Menschen, die diesen Aufschwung erarbeitet haben, in 2011 und den Folgejahren mehr für ihre Arbeit bekommen. Ich schließe hier auch die Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst ein, die Rahmenbedingungen für eine florierende Wirtschaft schaffen.
Höhere Löhne stärken den Binnenmarkt und garantieren ein stabiles Wirtschaftswachstum. Es war klug, dieses Wirtschaftswachstum nicht auf Schuldenmacherei zu stützen, denn überall gilt, auf Dauer können wir auch in der öffentlichen Hand nicht mehr ausgeben, wie wir einnehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich stelle die Frage, woher kommt bei all diesen guten Nachrichten die tiefe Unzufriedenheit breiter Bevölkerungsschichten?
Der Begriff „Wutbürger“ wurde zwischenzeitlich zum Wort des Jahres gekürt und war unlängst Gegenstand eines Essays im Spiegel.
Dort wird der Beitrag wie folgt eröffnet:
„Eine neue Gestalt macht sich wichtig in der deutschen Gesellschaft: Das ist der Wutbürger. Er bricht mit der bürgerlichen Tradition, dass zur politischen Mitte auch eine innere Mitte gehört, also Gelassenheit, Contenance. Der Wutbürger buht, schreit, hasst. Er ist konservativ, wohlhabend und nicht mehr jung. Früher war er staatstragend, jetzt ist er zutiefst empört über die Politiker“...
An anderer Stelle ist folgendes ausgeführt:
„Der Wutbürger denkt an sich, nicht an die Zukunft seiner Stadt, deshalb beginnt sein Protest in dem Moment, da das Bauen beginnt, also die Unannehmlichkeiten. Nun schiebt er das beiseite, was Bürgertum immer ausgemacht hat: Verantwortlichkeit, nicht nur das Eigene und das Jetzt im Blick zu haben, sondern auch das Allgemeine und das Morgen. Er vergisst zudem, dass er die Demokratie trägt. Es spielt keine Rolle mehr, dass das Bahnhofsprojekt in einem langen Prozess durch alle demokratischen Instanzen gegangen ist. Der Wutbürger hat das Gefühl, Mehrheit zu sein und die Lage besser beurteilen zu können, als die Politik. Er macht sich zur letzten Instanz und hebelt dabei das gesamte System aus. Er versteht nicht oder will nicht verstehen, dass ein Sieg der Gegner von Stuttgart 21 jeden anderen Protest in Deutschland beflügelt. Fast jedes neue Kraftwerk, fast jede Hochspannungsleitung, fast jedes Windrad, fast jede Straße ist umstritten, weil sie nicht in Lebensgefühle passen oder Lebenslagen verändern. Deutschland wird erstarren, wenn sich allerorten die Wutbürger durchsetzen.“
Ich gebe Herrn Dr. Geißler recht, wenn er sagt, wir müssen große Projekte unseren Bürgern besser erklären, wir müssen den Sachverstand dieser Bürger einbinden in die Entscheidungsprozesse.
Ich bin davon überzeugt, dass dies auch im Verfahren B 10 notwendig sein wird. Es bleibt abzuwarten, was das OVG Rheinland-Pfalz in Sachen B 10 entscheidet.
Bedenkenswert ist hier sicherlich, dass es nicht richtig sein kann, den 4-spurigen Ausbau bis zu den Tunnels in Annweiler heranzuführen und gerade dort einen Engpass zu schaffen!
Ich bin mir völlig sicher, dass in unserer Verbandsgemeinde Annweiler die vorbeschriebenen Wutbürger nicht zum Zuge kommen. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Bürger demokratisch getroffene Entscheidungen akzeptieren, sofern diese Entscheidungen hinreichend erklärt werden.
Ich habe deswegen den persönlichen Wunsch, dass bei uns die Wutbürger sich in „Mutbürger“ verwandeln.
Bürger, die aus dem, was sie in unserer Region vorfinden, Mut und Kraft schöpfen, die gewählten Politiker zu unterstützen, die anstehenden Probleme anzugehen und einer sachgerechten Lösung zuzuführen.
Ich möchte insbesondere den jungen Menschen Mut zusprechen, bietet doch die nahe Zukunft gerade für sie ein erfülltes Berufsleben. In wenigen Jahren werden wir in allen Berufszweigen mehr offene Stellen haben, wie Arbeitslose dem gegenüberstehen. Es wird in wenigen Jahren so sein, dass unsere jungen Menschen sich ihren Arbeitsplatz wieder heraussuchen können. Sie werden in der Lage sein, schlechte Angebote abzulehnen und die Günstigen anzunehmen.
Dies ist eine ganz große Chance für die junge Generation, wir brauchen zukünftig wirklich jeden.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein gutes 2011!