VG-Annweiler2-0002.jpg

"Berg frei" - seit 100 Jahren Naturfreunde Annweiler

26.03.2012 - "Berg frei" - seit 100 Jahren Naturfreunde Annweiler

 

Bild: Hoher Besuch zum Festakt

Hoher Besuch zum Festakt „100 Jahre Ortsgruppe Annweiler“: Ministerpräsident Kurt Beck, 1. Vorsitzender Werner Matt, 2. Vorsitzende Lilli Schranz, Bürgermeister Kurt Wagenführer, Landrätin Theresia Riedmaier, Stadtbürgermeister Thomas Wollenweber, Generalsekretär Alexander Schweitzer (v.l.n.r.).

„Wo man in der Welt auch immer sei, ertönt unser Ruf: Berg frei!“, mit diesem Gruß der Naturfreunde hießen der 1. Vorsitzende Werner Matt und Herbert Weinkämmerer am Samstag, dem 24. März 2012 zahlreiche Gäste im Hohenstaufensaal in Annweiler willkommen. Die Naturfreunde der Ortsgruppe Annweiler hatten zum nicht alltäglichen Jubiläum, ihrem 100. Geburtstag geladen. Gleichzeitig wurde das Frühlingsfest des Bezirks Westpfalz gefeiert.

Eine sehr bewegte Geschichte begleitete die Naturfreunde Annweiler, die sich aus einer Wandervereinigung heraus am 01. Januar 1912 gründeten. Herbert Weinkämmerer, der durch das Festprogramm führte, erinnerte an den Bau des ersten Vereinsheims, das 1921 zunächst als Blockhütte, später als Steinhaus auf dem Ebersberg errichtet wurde. In der Nazi-Zeit wurde die Organisation „Naturfreunde“ verboten, Haus und Grundstück enteignet. 1939 fiel das Haus auf mysteriöse Weise einem Brand zum Opfer. Am 26. Januar 1947 schließlich wurde die Ortsgruppe Annweiler wieder zum Leben erweckt.

In seinen Grußworten erinnerte Ministerpräsident Kurt Beck daran, dass es sich bei den Naturfreunden in Gründerzeiten nicht um einen zufälligen Zusammenschluss Gleichgesinnter handelte. Vielmehr war der damaligen Arbeiterschaft in Zeiten der Industrialisierung bewusst geworden, dass man sich nicht der Arbeit und der Fremdbestimmung Untertan machen dürfe. „Aus dieser Überzeugung heraus sind die Naturfreunde entstanden, die ihre Verwurzelung und ihren festen Platz in demokratischen Überzeugungen haben“, so Beck. Diese Überzeugung, die Freiheit des einzelnen Menschen nicht zu unterdrücken und sich nicht gleichschalten zu lassen, wurde im Kaiserreich und in den Weltkriegen verteidigt und sei bis heute spürbar. Für Kurt Beck sind die Naturfreunde ein Stück wirkliche Kultur aus der Mitte der Bevölkerung heraus. Mit Stolz könne die Ortsgruppe Annweiler auf eine großartige Arbeit zurückblicken. Hierbei schloss der Ministerpräsident auch das Engagement rund um das Naturfreundehaus ein.


Als Festrednerin rief Landrätin Theresia Riedmaier zunächst die schwierigen gesellschaftspolitischen Verhältnisse vor 100 Jahren ins Gedächtnis. Schlechte Arbeitsbedingungen und das Fehlen sozialer Sicherheiten bestimmten das damalige Leben. Als Reaktion hierauf entstand 1895 in Wien die erste Naturfreundebewegung, die heute international organisiert ist. „Die Liebe zur Natur und die Liebe zum Menschen – für eine offene Welt mit sozialer Gerechtigkeit und Demokratie, das sind die großen Leitmotive der Naturfreunde“, so Riedmaier. In diesem Zusammenhang erinnerte sie an die Geschichte der „Asselsteiner“, die bewundernswerten Mut und Standhaftigkeit in der Zeit des Nationalsozialismus bewiesen. Die Landrätin hob auch die Verdienste von Valentin Ort hervor, der maßgeblich an der Erfolgsgeschichte der Naturfreunde Annweiler mitgewirkt habe. Heute sei die Ortsgruppe fest mit der Stadt Annweiler verwurzelt.


Auch die Bezirksvorsitzende des Bezirks 5 der Naturfreunde, Heike Helfrich, gratulierte zum runden Jubiläum. Für sie stehe mit der Gründung der Naturfreunde die Intention, den Menschen ein Stück menschenwürdiges Leben zu geben. „Unpolitisch waren wir und sind wir nie gewesen“, so Helfrich, die sich für die Unterstützung von Seiten der demokratischen Träger bedankte.


Die Verknüpfung von Naturerlebnis und Naturschutz, die im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit und sanften Tourismus stehe, ist für Stadtbürgermeister Wollenweber bei den Naturfreunden von wesentlicher Bedeutung. Mit ihrem Angebot haben die Naturfreunde immer wieder Attraktivität bewiesen und dabei gekonnt den Wunsch nach Erholung aber auch die Entwicklung des Umweltbewusstseins miteinander verbunden.


In ihrer langen Geschichte haben die Naturfreunde immer wieder Kraft und Mut bewiesen und sich für soziale Gerechtigkeit eingesetzt, betonte Kurt Wagenführer, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Annweiler. Die Naturfreunde haben es verstanden, die vorhandenen natürlichen Ressourcen zu nutzen aber nicht auszunutzen. Ein sorgfältiger Umgang mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen sei heute mehr denn je wichtig. Im Leitbild der Naturfreunde, die wirtschaftliche Entwicklung dauerhaft mit sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verträglichkeit zu verbinden, sah Wagenführer starke Parallelen zum Thema Energiewende. Gerade im Zusammenhang mit der geplanten Errichtung von Windrädern sei der Einklang mit der Natur eine Herausforderung. „Ein Windrad ist nicht das Gefährlichste, was dem Wald wiederfahren kann“, so Wagenführer, der sich den gemeinsamen Dialog wünsche.


Alle Ehrengäste lobten die großartige Jugendarbeit der Ortsgruppe Annweiler, die sogar seit 1999 wieder über eine eigene Jugendgruppe verfügt. Abschließend wurde der Wunsch und die Hoffnung geäußert, dass in Zukunft die Tradition der Naturfreunde auch auf kommende Generationen übertragen und gepflegt werde, so dass noch lange der Ruf „Berg frei“ durch die Welt erschallt.


Schwungvoll musikalisch begleitet wurde der Festakt durch das Mandolinen-Orchester der Ortsgruppe Pirmasens sowie zahlreiche Liedvorträge verschiedener Singgruppen der Naturfreunde.